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DAVID BURTON – ESSES

Interview

Editor des Magazins ESSES

Ein Gespräch mit David Burton aus London, Editor des Magazins ESSES.

WELCHES MAGAZIN HAST DU ZULETZT VOR DIESEM INTERVIEW IN DEN HÄNDEN GEHALTEN?

GQ und PORT, zwei sehr unterschiedliche Lifestyle Magazine für den Mann. Dann hab ich mir kürzlich die älteren Ausgaben von PORT angeschaut. Ich lese aber allerhand an Magazinen, vermutlich genau wie ihr. Eben nicht nur die Lifestyle- und Motorradmagazine. RIPOSTE ist großartig, SIDETRACK ist fantastisch, genauso wie WIRED und NATIONAL GEOGRAPHIC. Ich versuche in so viele verschiedene Magazine wie nur möglich reinzuschauen.

WENN DU BEIM ARZT IM WARTEZIMMER SITZT, VOR DIR DER TISCH MIT MAGAZINEN, NACH WELCHEM WIRST DU GREIFEN?

Haha, das hängt vermutlich davon ab weswegen ich beim Arzt sitze. Die Sachen im Wartezimmer gehören offensichtlich nicht zu den Magazinen, die ich mir kaufen würde. Ich würde wohl mein eigenes Magazin mitnehmen, aber ich hab auch nichts gegen ein gelegentliches durchblättern von GRAZIA oder HEAT.

HAST DU MAGAZINE ABONNIERT?

Ja, ich hab einige abonniert, wie beispielsweise GQ oder NATIONAL GEOGRAPHIC, aber um ehrlich zu sein, ich bevorzuge es die Zeitungshändler und Magazineshops zu besuchen, um einfach mal ein bisschen zu stöbern. Ich mag es durch die Magazine zu blättern, nach den Covern zu schauen und zu gucken, was mich davon eben packt. Ich lebe in London, deshalb kann ich mich glücklich schätzen, dass es hier viele sehr gute unabhängige Zeitungshändler gibt. Es ist immer großartig da vorbeizuschauen und sich umzusehen.

GIBT ES EIN THEMA DAS DU AUF DEM MAGAZINMARKT VERMISST?

Mit ESSES haben wir angefangen, gerade weil es dieses Gefühl gab, dass etwas fehlt. Es begann mit dem Motorradfahren und entwickelte sich von hier an über die Zeit. Wir dachten, da bleibt noch was aus, in der Art und Weise, wie über Motorräder geschrieben wurde und wir wollten die Leidenschaft für das Fahren, aber auch für die Magazine zusammenbringen. Jetzt vermissen wir immer noch etwas. Wir haben einige Ideen für Magazine, die sich nicht um Motorräder drehen. Das wäre fantastisch, wenn wir die noch machen können, aber das bleibt dann erstmal noch mein Geheimnis. Vielleicht seht ihr in ein paar Jahren was davon.

WAS GLAUBST DU IST DIE ROLLE DER MAGAZINE IN DER GESELLSCHAFT?

Eindeutig zu informieren, zu unterhalten, Anregungen zu geben und die Leute zu inspirieren, um von hier an von anderen Menschen zu erfahren, andere Lebensformen kennenzulernen, andere Kulturen und andere Wege die Dinge eben zu gestalten. Gute Magazine liefern einen abwechslungsreichen Mix an Inhalten, so dass man sich einige Stunden hinsetzen kann und einfach eintaucht in diese Bandbreite an Themen, von denen du vorher vielleicht gar nicht gehört hast.

WARUM ALSO ESSES UND WAS IST DER UNTERSCHIED ZU DEN ANDEREN MAGAZINEN ÜBER MOTORRÄDER?

Wir haben das Projekt zu zweit ans Laufen gebracht. Da gibt es nur mich und Jon, der Designer des Magazins. Wir wollten schon lange ein Magazin für uns machen, von einem rein kreativen Ausgangspunkt. Die Idee war nie Profit daraus zu schlagen, was naiv klingen mag, aber es ging uns dennoch nie ums Geld machen oder zumindest nur um soviel Geld, dass wir die Möglichkeit hatten, die nächste Ausgabe zu produzieren. Das war eine Unterhaltung die wir über zwölf Monate geführt haben, ehe wir uns entschlossen haben, das ganze Wirklichkeit werden zu lassen. Die ursprüngliche Idee kam beim Lesen der allgemeinen Motorradpresse in England. Ich hab keine negativen Worte übrig für diese Zeitschriften, sie machen einen fantastischen Job, aber wir wollten uns genauso so sehr auf die Fahrer konzentrieren, wie auf die Motorräder selbst. Im Prinzip erzählt das Magazin die Geschichten der Leute die in irgendeiner Beziehung mit Motorrädern stehen. Die anderen kümmern sich um fantastische Produktvorstellungen und Tests. Die liefern einfach sehr viele Informationen über Motorräder. Wir wollten aber die Geschichten der Fahrer erzählen, über die man sonst nie gelesen hätte oder die man woanders gar nicht findet.

WOHER KRIEGT IHR DIESE GESCHICHTEN?

Von schlichtweg überall. In erster Linie waren es Leute, von denen wir im Vorfeld schon mal gehört oder wo wir kleinere Interviews bereits gelesen haben. Oder es gab einen kleinen Ausschnitt in einem bereits bewährtem Magazin, welches unsere Aufmerksamkeit bekommen hat. Als wir angefangen haben diese Leute zu kontaktieren, um zu schauen ob sie mit uns Zeit verbringen würden, öffnete sich eine völlig neue Welt für uns. Als wir angefangen haben die Leute zu treffen, kannten die immer schon die nächsten interessanten Persönlichkeiten. Das fing an, bevor wir irgendetwas irgendjemandem zu zeigen hatten. Niemand lehnte uns ab wenn es darum ging, auch im Magazin zu erscheinen. Jeder war immer sehr positiv gestimmt. Wir bekamen Ideen von allen Seiten, aber wollten die Inhalte doch nie mit Gewalt zusammenkriegen, so dass es sich am Ende gekünstelt anfühlen würde. Wir versuchen vor allem Geschichten zu finden die keinen offensichtlichen Bezug zum Motorrad haben – Leute die eine Leidenschaft für Motorräder haben aber etwas ganz anderes, interessantes in ihrem alltäglichen Leben machen. In der nächsten Ausgabe zum Beispiel, No. 2, die jetzt im Oktober erscheint, haben wir ein Feature mit einem berühmten Straßenkünstler. Er fährt Motorrad, aber das kriegst du gar nicht mit. Nichts davon erscheint in seinen Arbeiten und er erwähnt es auch nicht. Dass er die Räder aber liebt, haben wir dann erfahren und ihn in seinem Studio interviewt. Das ist genau das, was wir hoffen zu produzieren: ein Magazin, das sich um den Lifestyle dreht, nicht nur ums Metall. Es geht um die Menschen hinter den Motorrädern.

AN WELCHEN MOMENT ERINNERST DU DICH AM LIEBSTEN, ANGESICHTS ALLER BIS JETZT PRODUZIERTEN AUSGABEN?

Woran ich mich da am besten erinnere, ist der Tag als wir die Exemplare der Ausgabe Null von der Druckerei geliefert bekommen haben. Einen Umschlag mit einzelnen Ausgaben nahmen wir mit in den Pub, öffneten ihn, schauten uns das Ergebnis an und waren begeistert. Wir gaben uns ein High Five, um dann festzustellen, dass wir überhaupt keine Ahnung hatten, wie wir das Ding verkaufen können. Keiner von uns kommt aus dem Marketing oder hat kaufmännisches Hintergrundwissen. Das ist wohl der Moment, an den ich mich am besten erinnere. Es war wie: „Wow, wir haben all diese super Magazine. Was machen wir damit – irgendwas dekorieren?“

GIBT ES MAGAZINE AUS DER VERGANGENHEIT DIE EUCH BEEINFLUSST HABEN BEI DER ARBEIT AN ESSES?

Wir lassen uns von vielen verschiedenen Magazinen beeinflussen, aus der Vergangenheit und Gegenwart im gleichen Maße. Der unabhängige Markt für Magazine rund um Zweiräder ist in Großbritannien während der letzten Jahre explodiert. Jon hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, so dass er vielleicht nicht zwingend spezifische Ideen fürs Design daraus gezogen hat, aber doch sehr viel Inspiration und ein Gefühl dafür, das Thema richtig anzugehen. Wir wollten uns auf das wesentliche eines guten Magazins konzentrieren; gute Typografie, wunderbares Design, fantastische Bilder und gut geschriebene Geschichten. Kein Durcheinander auf den Seiten. Das Design konkurriert nicht mit den Geschichten.

WIE WICHTIG IST DAS MATERIAL FÜR EUCH?

Es war sehr wichtig nicht blank und glänzend zu wirken. Wir haben unsere Zeit gebraucht, um das richtige Material und Format zu finden. Die Leser haben gesagt, dass sich unser Magazin mehr nach einem Buch anfühlt. Das liegt vermutlich daran, dass ESSES weit weg ist von dem, was man sich unter einem Motorrad-Magazin eben vorstellt. Wir wollten, dass es sich fest und kompakt anfühlt. Ich denke, wir wollten vor allem, dass es sich eben wie ein unabhängiges Magazin anfühlt.

EIN TWEET AN UNSERE LESER. 140 ZEICHEN. DEINE BOTSCHAFT?

Wenn es jemand hinkriegt, dass Valentino Rossi mal bei uns durchruft, wär das fantastisch.

WENN EIN TAG DEINER LETZTEN WOCHE THEMA DER NÄCHSTEN AUSGABE WÄRE, WIE WÜRDE DAS COVER AUSSEHEN? BITTE EINE SKIZZE.