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GABRIELE FISCHER – BRAND EINS

Interview

Gabriele Fischer, chief editor of BRAND EINS magazine. 

IN WELCHES MAGAZIN HABEN SIE ZULETZT VOR DIESEM INTERVIEW GESCHAUT?

Ein Bekannter von mir hat gerade ein Magazin zum Thema Insolvenz herausgebracht, das habe ich mir angesehen. Regelmäßig lese ich am Sonntag die ZEIT, den SPIEGEL und immer mal wieder die FRANKFURTER ALLGEMEINE, um sicher zu gehen, dass die Welt sich noch dreht. Daneben schaue ich mir die Mitbewerber an und alles, was neu ist, sofern es darin nicht nur um Mode und Styling geht.

WELCHER ARTIKEL ODER WELCHES BILD IST IHNEN AUS EINEM MAGAZIN ZULETZT BESONDERS AUFGEFALLEN?

Ich komme gerade aus einem einwöchigen Woche Urlaub zurück – und da lese ich nur Bücher. Generell schaue ich mir viel an und finde auch viel Gutes.

ZU WELCHEM MAGAZIN GREIFEN SIE BEI IHREM ARZT IM WARTEZIMMER?

Zur BUNTE oder GALA. Mein Zahnarzt hat BRAND EINS ausgelegt, das finde ich ganz reizend – aber das will vermutlich kein Mensch in Erwartung einer Spritze lesen. Da ist schon eine „Gala“ fast zu anspruchsvoll.

WELCHES SIND IHRE DREI FAVORITEN UNTER DEN MAGAZINEN?

Das wechselt. Ich habe einige Zeit ZENITH gelesen, ein Magazin, das sich mit dem Orient beschäftigt und 1999 von Studenten der Islamwissenschaft in Hamburg entwickelt wurde. Es beeindruckt durch eine aufgeklärte und liberale Perspektive auf eine Welt, die uns gerade in Zeiten von ISIS fremd und brutal erscheint. Die arabische Welt hat mich schon immer interessiert, ich habe meine Magisterarbeit über die Kurden im Irak geschrieben. Außerdem schaue ich mir immer wieder gern 11 FREUNDE an oder DUMMY.

GIBT ES EIN THEMA DAS SIE AUF DEM MAGAZINMARKT VERMISSEN?

Uns besuchen immer wieder hoffnungsvolle Jungverleger und stellen uns ihre Konzepte vor. Einige Zeit lang gab es Versuche, „so etwas wie BRAND EINS“ zu den Themen Wohnen, oder Kochen zu machen. Interessanter fand ich die Idee, eines Programmhefts für Radiosendungen: Früher gab es das als Beihefter in den Fernsehzeitschriften, heute weiß man eigentlich nicht mehr, was wann wo kommt und wo Perlen versteckt sind. Die Idee war interessant – aber die Leute haben sie nicht finanziert bekommen. Davon abgesehen fehlt mir persönlich nichts. Ich könnte auf viele Magazine verzichten.

WELCHE ROLLE SPIELT FÜR SIE DAS MAGAZIN IN UNSERER GESELLSCHAFT?

Das Magazin in der Gesellschaft … das ist ein großer Anspruch. Vielleicht geht es eine Nummer kleiner: Ich denke, dass gut gemachte Magazine dazu einladen, sich ein Thema genauer anzusehen – und sie können dazu verführen, sich mit Themen zu beschäftigen, die einem bislang fremd waren. BRAND EINS ist, wenn wir es richtig machen, eine Wundertüte, in der man Themen findet, die man nie gesucht hätte. Ich selbst lasse mich gern auf solche Reisen durch ein Magazin ein, auch wenn ich inzwischen vieles auf dem iPad lese und mich dort vom Inhaltsverzeichnis leiten lasse.

GIBT ES EINEN MOMENT DER IHNEN BESONDERS AM HERZEN LIEGT WENN SIE AN BRAND EINS DENKEN?

Ganz viele. Und es ist auch bis heute so, dass wir jede neue Ausgabe gespannt und auch ein wenig nervös erwarten – obwohl wir schon bei der 171. Ausgabe sind. Wenn uns das Heft kalt ließe, dann sollten wir aufhören. Daneben gibt es in der Historie natürlich Meilensteine. Zum Beispiel das Cluetrain Manifest, 2000. Die meisten Journalisten fanden es überflüssig und pathetisch, letzteres stimmt. Aber es war eben auch wegweisend – und deshalb hat unser Art Director Mike Meiré das Pathetische noch einmal übersteigert und Sätze wie „Märkte sind Gespräche“ auf nackte Haut geschrieben. Das war großes Kino – und hat unter anderem dazu geführt, dass es Probleme mit dem Porträt einer amerikanischen Firma gab: Wir hatten just jene Ausgabe als Referenz geschickt, und man befürchtete dort, unser Thema sei Pornografie. MIKE MEIRÉ WAR VON ANFANG AN DABEI? Er war schon beim Vorgänger-Magazin ECONY dabei.

GIBT ES EIN COVER, DAS SIE GERNE IM MAGAZINREGAL GESEHEN HÄTTEN, WELCHES ABER NIE VERÖFFENTLICHT WURDE?

Nein. Wer hätte es uns verbieten sollen? Beim Februar-Titel zum Thema Werbung mit dem Titel „Kauf du Arsch“ gab es im Verlag zwar ein paar Bedenken, aber am Ende waren wir uns einig: Wir machen es – und es war ein echter Verkaufserfolg. Die Titel machen wir in der Redaktion gemeinsam und ringen darum manchmal bis kurz vor dem Drucktermin. Wir wollen all das, was wir in den vergangenen Wochen gedacht und geschrieben haben, zu einer Zeile verdichten – das ist nicht ganz einfach. Und gelingt auch nicht immer.

WELCHES WAR DIE SCHWERSTE HÜRDE DIE SIE BEWÄLTIGEN MUSSTEN?

Als wir nach einem Jahr nahezu pleite waren. Wir sind 1999 gestartet – und 2001 kam die große Krise. Unsere beiden damaligen Investoren waren am Neuen Markt und gerieten unter Druck, der Anzeigenmarkt ging in den Keller: Das war für die junge Firma doch recht bedrohlich. In den nächsten fünf Jahren war ich hauptberuflich auf der Suche nach Geldgebern – das Magazin zu machen war fast so etwas wie Erholung.

GIBT ES MAGAZINE AUS DER VERGANGENHEIT DIE SIE HEUTE BEEINFLUSSEN?

Es gibt nicht viele Vorbilder für BRAND EINS. Beeinflusst werden wir von jeder guten Geschichte, von jedem Ort, an dem guter Journalismus gemacht wird, gute Fotografien entstehen. Wir alle saugen auf, was wir an Gutem sehen und lesen, und das fließt sicher auch in unsere Arbeit ein. Aber es ist nicht so, dass wir sein wollen, wie irgendein anderes Magazin – wir wollen nur ein immer besseres